Ich möchte mich hier der Antwort auf die Frage: „Sind Algorithmen im Kontext mit dem Begriff „Big Data“ (Begriffserklärung: Sammeln von Nutzerdaten mit Hilfe von Algorithmen im Digitalen Netz) (Dumbill, 2012) für die Soziale Arbeit von Bedeutung und hat die Soziale Arbeit den Auftrag zu handeln?“ nähern.
Bevor ich den Gegenstand der SA und somit ihr Handlungsfeld bearbeite, möchte ich mich erst dem aktuellen Diskurs über die Professionsbestimmung und die wissenschaftliche Zuordnung der SA als Wissenschaft widmen.
Die Diskussion um die Profession der Wissenschaft in der Sozialen Arbeit trennt die bestehenden Wissenschaften durch eine Zuordnung in eine jeweilige Wissenschaft für die SA. Die Diskussion, um die Bestimmung der Profession und der jeweiligen Wissenschaft, soll in diesem Werk kein Thema des aktuellen Diskurses werden.
Für die Zuordnung der Sozialen Arbeit in eine Wissenschaft und die Professionsbestimmung ist m.E. das Handlungsfeld entscheiden, über das die Soziale Arbeit nicht nur verfügt, sondern auch verfügen müsste.
Meiner Ansicht nach ist die Profession der SA darin begründet, sich einzumischen – nicht nur in Soziale Fragen der jeweiligen Gesellschaft, oder deren Problemlösung, sondern vielmehr auch in die Bekanntmachung existierender und vor allem auch, in entstehende soziale Probleme der jeweiligen kulturellen Gesellschaft.
Es bedarf, meiner Meinung nach, einer ‘Revolution der Sozialen Frage‘. In dieser Verwendung ist Revolution nicht mit politischer Revolution zu verstehen, die als Ziel hat, bestehende politische Führungen oder Institutionen zu beseitigen und mit einem Wechsel radikale Veränderungen in einem neuen System herbeizuführen (Schubert, 2011).
Sondern, die Revolution der Sozialen Frage – ‘Revolution of social Question‘ – meint die Veränderung, wenn nötig die Abschaffung, politischer, sozialer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme, welche die soziale Ungleichheit verursachen, fördern oder auch verstärken. Die Profession der SA sollte sich durch die ‘Revolution der Sozialen Frage‘ ein erweitertes Handlungsfeld erschließen, das sich nicht ausschließlich um die Arbeit an sozialen Probleme (und die Stärkung der Ressourcen) kümmert (von Spiegel, 2008) , sondern vielmehr sollte der Gegenstand der SA demnach auch in der ‘Revolution der Sozialen Frage‘ liegen.
Soziale Arbeit kann meines Erachtens, und aus dem Kontext der Provokation, mit der ‘Revolution der Sozialen Arbeit‘ sich in alle sozialen Fragen der Gesellschaft einmischen, ob es nun ein soziales Problem darstellt, welches die Gesellschaft als lösungswert erachtet, oder nur eine soziale Ungleichheit bedeutet, die kein gesellschaftsrelevantes Bedürfnis auslöst.
Die entstehende Provokation durch die ‘Revolution der Sozialen Frage‘ und die dadurch existenzbedrohenden Umstände für die handelnden Institutionen und Systeme, können letzten Endes, wie es uns die Geschichte der SA gezeigt hat (vgl. die Einführung der Sozialversicherungen), zu einer Veränderung führen.
Auf die Frage: „Ist das ein Thema für die Soziale Arbeit?“ Sollte die Antwort stets: „Ja!“ lauten.
Gegenstand der Profession in der Sozialen Arbeit sind somit wissenschaftliche und auch praxismethodische Betrachtungen von sozialen Handlungen und Phänomenen. Empirische und geistes-, sozial-, und handlungswissenschaftliche Untersuchungen jener Phänomene.
Da jede Handlung im öffentlichen Raum in einem sozialen Kontext erfolgt und soziale Folgen hat, kann jede Handlung für die Soziale Arbeit auch ein Handlungsfeld bedeuten, in das sie sich meiner Meinung nach einzumischen hat.
SA ist demnach eine wissenschaftsübergreifende Wissenschaft, die sich allen Wissenschaftsdisziplinen bedient. ‘Across sience – wissenschaftsübergreifende Wissenschaft‘ – die sowohl Geistes-, Sozial- und Handlungswissenschaft ist. In „Theorien sind Werkzeuge“ stellt Herwig-Lempp mit einer deutlichen Klarheit fest, welche Bedeutung Theorien und somit die Wissenschaft für die SA haben müssen. (Herwig-Lempp, 2009)
Die Profession der Sozialen Arbeit liegt nicht in ihren Theorienansätzen, die die Wissenschaft der Sozialen Arbeit überschwemmen. Sie liegt auch nicht in den praxisnahen Orientierungen, die jede theoretische Verordnung kritisieren, nicht anwendbar zu sein. Die Profession liegt in der übergreifenden, disziplinvereinenden Wissenschaft, die sowohl Theorieansätze liefert, diese jedoch auch in die Tat umzusetzen vermag. Und die Profession liegt in der Bearbeitung sozialer Phänomene, auch wenn sie von der Gesellschaft nicht als klarer Auftrag an die SA vermittelt wurde. Die Profession liegt in der Einmischung in die Gesellschaft, in der ‘Revolution der Sozialen Frage‘.
„Sind Algorithmen im Kontext mit dem Begriff „Big Data“ für die Soziale Arbeit von Bedeutung und hat die Soziale Arbeit den Auftrag zu handeln?“
Antwort: „JA! Die SA ist eine ‘wissenschaftsübergreifende Wissenschaft‘.“
Auf die Frage, welche Komponenten einer vielschichtigen Gesellschaft einer Profession der SA im Wege stehen, kann ich in diesem Zusammenhang nicht näher eingehen. Jedoch scheint hierbei ein wichtiges Augenmerk auf der Individualisierung der Gesellschaft liegen zu müssen. Ob der Individualismus unsere Gesellschaft oder ihre Gemeinschaften auflöst oder trennt, und somit auch die Soziale Arbeit im Kontext von Profession und Wissenschaft, – die ‘Revolution der Sozialen Frage‘ – be- und verhindert, soll an dieser Stelle eine offene Frage bleiben.
Verfasser Matthias Marek
Literaturverzeichnis
Herwig-Lempp, J. (2009). Theorien sind Werkzeuge. In E. M. Bernd Birgmeier, Die Sozialarbeitswissenschaft und ihre Theorie(n) (S. 196f). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH.
Schubert, K. K. (2011). Das Politlexikon 5.aktual. Aufl. Bonn: J.H.W. Dietz Nachf.
von Spiegel, H. (2008). Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. 3. Aufl. . München: UTB.
Ich versuche als Fachfremder mal, das Thema besser zu verstehen.
Möchtest du sagen, dass die Soziale Arbeit eine „gestaltungsorientierte Wissenschaft“ ist (oder sein sollte)? Dass sie also nicht bloß bestehende Phänomene analysiert, dokumentiert, … und prognostiziert, sondern auch zur Gestaltung der Welt genutzt werden kann bzw. sollte?
Unterstützung fände eine solche These sicher bei Helmut Schmidt, der ganz allgemein der Wissenschaft eine soziale Verantwortung bei der Erkenntnissuche zuspricht, um die Probleme des 21. Jahrhunderts anzugehen. (Schmidt, Helmut (2011): Verantwortung der Forschung im 21. Jahrhundert, URL: http://www.mpg.de/990353/Verantwortung_der_Forschung?page=3). Vergleiche könnte man dann sicher zu den Ingenieurdisziplinen ziehen — oder auch zur Wirtschaftsinformatik, da fühle ich mich dann schon eher zuhause. Das Urgestein Peter Mertens schreibt “seiner” Fachrichtung auch die Aufgabe zu, Vorschläge zu entwickeln, wie gesellschaftlich besonders wertvolle Anwendungssysteme aussehen müssen. Sie können beispielsweise dazu dienen, ältere Menschen bei ihren Alltagshandlungen zu unterstützen oder durch effizientere Logistik die Umweltbelastung zu senken (Mertens, Peter (2011): Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Wirtschaftsinformatik. In: Wirtschaftsinformatik und Management, 3. Jg., Nr. 1, S. 32-38.). Vielleicht lohnt sich ein Blick in diese Richtung (Schlagwort Gestaltungsorientierung in der Wissenschaft).
Geht es dir bei dem Begriff „Revolution“ also darum, das Selbstverständnis der wissenschaftlichen Disziplin „Soziale Arbeit“ anders zu fassen?
Du nutzt ferner den Begriff „wissenschaftsübergreifende Wissenschaft“. Vielleicht helfen dir dabei zum Schärfen deiner Aussagen dabei die Begriffe Interdisziplinarität oder Transdisziplinarität — je nachdem, was genau du unter „wissenschaftsübergreifender Wissenschaft“ verstehst.
Die Ansätze von Mertens gefallen mir sehr gut. Ich würde zu seinen Ausführungen sogar noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass sich nicht nur die Wissenschaft der sozialen Arbeit, sondern sämtliche Wissenschaften nicht nur den eigenen Theorieansätzen widmen sollten, sondern auch in die Partner Disziplienen schauen müssen/sollten.
Gerade die öffentliche Diskussion zwischen der Sozialpädagogik und der Sozialen Arbeit sorgen m.E. dazu, dass sich beide Wissenschaften gegeneinander entwickeln und jeweils die Theorieansätze der Anderen verurteilen. Ein Trennen und Splitten von Wissenschaften, die sich eigentlich im gleichen Feld bewegen kann meiner Meinung nach nur die Entwicklung und das Wissen in der jeweiligen Disziplin schmälern.
Einerseits geht es mir bei dem Begriff „Revolution“ wirklich um das Selbstverständnis der Disziplin anders zu erfassen. Es geht auch um eine Umstrukturierung, ein „wachrütteln“, um die einzelnen Disziplinene anzuregen und zusammenzuführern.
Um die Sozialen Fragen in der Gesellschaft zu lösen bedarf es m.E. auch Gemeinschaft, die nicht durch entstehende Differenzen der einzelnen Disziplinen, zu lösen ist.
Andereseits bin ich der Meinung, dass soziale Probleme in unsere Gesellschaft eine „Revolution“ bedürfen, die Institutionen in ihrer ausführenden Macht und/oder existens bedrohen.
Am besten trifft es wohl der Begriff Integrationswissenschaft – das Zusammensetzen unterschiedlichen Teilbereichen anderer zumeist „klassischer“ Wissenschaften.